Kann künstliche Intelligenz Künstler°innen ersetzen?

Diese Frage hab ich in den letzten Jahren immer wieder gehört.

Im letzten Jahr sogar ziemlich oft.

Denn seit einigen Monaten gibt es mehrere öffentlich zugängliche Websites, mit denen man absolut Erstaunliches machen kann.

[NEU: Du kannst diese Folge jetzt auch als Podcast 🎧 hören]

Ich habe eine ganze Reihe von “künstlichen Kunstwerken” gesehen, die ohne weiteres auch von “echten (menschlichen) Künstler°innen” stammen könnten.

Nicht nur bildende Kunst, auch Fotos, Grafiken, Musik und sogar Gedichte können mittlerweile von solchen Programmen gemacht werden.

Werden Künstler°innen aller Genres und Sparten also bald überflüssig?

Meine Überzeugung ist: nein, keinesfalls.

Ganz im Gegenteil.

Die heutigen 3 Impulse sollen euch die Angst davor nehmen, dass ihr als Künstler°innen bald ausgedient haben werdet.

Was allerdings nicht vorkommen wird, ist das typische Argument, dass solche künstliche Kunst niemals so gut wie “echte” Kunst sein kann.

Ich höre und lese das ziemlich oft: dass Maschinen nicht fühlen, dass sie die Welt nicht selbst erleben und daher niemals dieses ganz besondere “Etwas” haben werden, das eben nur Menschen haben.

Anders gesagt: dass Menschen aufgrund ihrer Erlebens und ihrer Gefühle immer den Maschinen - und damit auch solchen Programmen - voraus sein werden.

Ich weiß nicht, ob Maschinen jemals wirklich “erleben” oder “fühlen” können.

Ich bin aber überzeugt, dass sie sehr bald schon perfekt so tun können, als könnten sie fühlen und erleben und eben auch selbständig denken.

In Wahrheit sind wir sogar schon soweit.

Für einen Laien ist es kaum mehr zu unterscheiden, ob er mit einem Menschen oder mit einer Maschine spricht.

Oder ob eben ein künstlerisches Werk - sei es ein Bild, ein Text oder Musik - tatsächlich von einem Menschen stammt, oder von einer App.

Oder zumindest von einem Menschen, der dieses Kunstwerk mit einer App erstellt hat.

Dieses Argument gilt für mich also nicht: dass Maschinen niemals so “gut” sein werden wie Menschen.

Sie sind es in vielerlei Hinsicht schon, und das gilt auch für ihre Kunstproduktion.

Wenn ich die Frage ob künstliche Intelligenz Künstler°innen ersetzen kann trotzdem verneine, dann aus anderen Gründen, nämlich den folgenden:

Impuls No. 1:

Warum künstliche Intelligenz echte Künstler°innen nicht ersetzen wird:

Menschen brauchen Menschen.

Wir Menschen sind zutiefst soziale Wesen.

Wir sind Säugetiere, wir sind Primaten, wir leben seit Jahrmillionen in Horden, in kleineren oder größeren Gruppen.

Wir benötigen den direkten Austausch mit anderen Menschen, um zufrieden, gesund und glücklich zu sein.

Dazu gibt es unzählige Studien, die sind leicht zu finden, ich brauche sie hier nicht alle anzuführen.

Selbst einzelgängerische oder extrem introvertierte Menschen sehnen sich nach anderen Menschen, wenngleich oft auf etwas komplizierte Art.

Dabei geht es nicht nur um den Umgang mit anderen Menschen, sondern auch um den Austausch.

Wir wollen sehen, hören, schmecken und spüren wie andere Menschen sind - und was andere Menschen gemacht haben.

Das gilt durchaus auch für Kunst.

Es kann schon sein, dass wir von einem Kunstwerk nicht sagen können, ob eine Maschine oder ein Mensch es gemacht hat.

Was wir aber mit Sicherheit sagen können ist, dass Menschen Kunst ERLEBEN wollen, die von anderen Menschen - von menschlichen, nicht maschinellen Künstler°innen - gemacht wurden.

Wir wertschätzen nicht nur das äußerlich wahrnehmbare, sondern ganz besonders auch das nicht wahrnehmbare, das hinter einer Sache steckende.

🧐 Warum werden so viele Instagram-Posts geteilt, in denen zu sehen ist, wie ein Kunstwerk entsteht?

🧐 Wieviel Zeit und Mühe es gekostet hat?

🧐 Welche Schritte in dem Prozess der Herstellung stecken?

🧐 Warum hören wir gerne Interviews und Hintergrundstories?

🧐 Warum gibt es Dokus, Künstler°innen-Portraits und so weiter?

Weil wir etwas über die Menschen erfahren möchten, die hinter einer Arbeit stehen.

Weil das Warum genau so wichtig ist wie das Wie.

Weil wir uns von anderen inspirieren lassen wollen - nicht nur von ihrer Arbeit per se, sondern von ihnen als Person.

Davon wie Künstler°innen leben, wie sie arbeiten, wie sie SIND.

Das sind die Aspekte, die uns künstliche Kunst, Kunst von einer Maschine, niemals geben kann.

Das stecken vielleicht auch ein paar spannende Geschichten dahinter - aber niemals werden sie uns so lange fesseln und so umfassend interessieren wie Geschichten von Menschen.

Impuls No. 2:

Das Neue ersetzt das Alte niemals vollständig.

Alles Mögliche auf dieser Welt ist durch andere Dinge ersetzt worden und trotzdem nicht verschwunden:

💰Gold wurde durch Papiergeld ersetzt, ist aber immer noch sehr gefragt.

📀 Vinyl erst durch DVD und dann durch digitale Musik - trotzdem gibt es heute mehr analoge Plattenläden als in meiner Jugend.

📸 Nach Erfindung der Fotografie dachte man, dass Malerei nun ausgedient hat. Davon sind wir aktuell weit entfernt.

📘 Trotz E-Books gibt es mehr gedruckte Bücher denn je.

🎬 Trotz Fernsehen und Netflix gibt es weiterhin Kinos.

Ich könnte endlos weitermachen....

Die Erkenntnis daraus ist:

Das Alte gewinnt durch das Neue eine neue Bedeutung

Das wirklich Spannende daran ist aber, dass die meisten dieser “alten” Dinge nicht nur weiterleben, sondern sich durch das “Neue” oft auch grundlegend gewandelt haben.

Oder eine ganz besondere Bedeutung erlangt haben!

Die Malerei hat sich von der Fotografie nicht nur beeinflussen lassen, sie hat ihren Sinn und ihre Bestimmung neu erfunden.

Das hat eine ungeheure Blüte in der zeitgenössischen Kunst ausgelöst - vom Impressionismus über Expressionismus, Kubismus bis hin zum Hyperrealismus.

Synthisizer haben klassische Instrumente nicht ersetzt, sondern ergänzt.

Auf der anderen Seite löst der Klang einer echten Stradivari auch heute noch Begeisterung aus.

Umgelegt auf künstlliche Intelligenz bedeutet das: diese neue Art von künstlicher Kunst wird die “alte”, “menschliche” Art Kunst zu machen nicht verdrängen, sondern im Gegenteil bereichern.

Sie werden nebeneinander Platz haben und das eine wird sich gerade durch die Existenz des anderen genauer definieren und positionien müssen oder könnnen.

Impuls No. 3:

Menschen lieben es, wenn Erwartungen gebrochen werden.

Es ist Teil unserer Natur, Erwartungen zu haben.

Wir haben in unserem Leben bestimmte Erfahrungen gemacht und lernen dadurch, zukünftige Ereignisse quasi vorherzusehen. Das haben wir im Verlauf der Evolution gelernt.

Dadurch können wir uns auf alles was kommt einstellen, uns entsprechend vorbereiten.

Richtige vorhergesagte Erwartungen sind überlebenswichtig.

Gleichzeitig - und das unterscheidet uns Menschen von den meisten anderen Tieren - lieben wir es, wenn unsere Erwartungen hin und wieder gebrochen werden.

Wenn wir überrascht werden.

Wenn etwas plötzlich ganz anders ist, als wir es uns vorgestellt haben.

Wobei: GANZ anders ist nicht ganz richtig.

Was uns besonders anturnt ist, wenn es einerseits so anders ist, dass es uns zwar überrascht, gleichzeitg aber auch eine Komponente dabei ist, die wir wiedererkennen.

Ich habe vorhin gesagt, dass Kunst die von AI also von künstlicher Intelligenz gemacht ist jetzt schon oder bald schon genau so gut ist wie von Menschen gemachte Kunst.

Auch sie kann überraschend sein, wirklich verblüffend und eben von menschengemachter Kunst nicht zu unterscheiden.

Eines aber wir voraussichtlich immer uns Menschen vorbehalten bleiben:

Die Erwartungen anderer Menschen auf subtile - eben menschliche - Weise so zu brechen, dass wir uns in unserem Menschsein “abgeholt” fühlen - und trotzdem überrascht, auf eine neue Ebene gehoben.

Ob das von einer nicht menschlichen Intelligenz jemals geleistet werden kann, das wage ich zu bezweifeln.

Ich erwarte nicht, dass sie das in absehbarer Zukunft - oder überhaupt jemals - können wird.

Allerdings gilt auch hier: Irgendwie ist es prickelnd, wenn Erwartungen - oder eben Nicht-Erwartungen gebrochen werden. Ich bin also gespannt, ob mich künstliche Kunst auch in diesem Punkt überraschen wird...

Bin schon gespannt, was ihr dazu sagt?

Dein & Euer

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